Medium | 3CD |
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Künstler / Autor | DT64 |
Veröffentlichung | 22.04.2022 |
Teaser / Slogan | DT 64 Die Singles! Something about der Sturm und Drang-Zeit der Rockmusik in der DDR |
Artikelbeschreibung
Walter Cikan im Frühjahr 2022
DT64 – wie der Name schon sagt – ein Jugendradio damals unter dem Dach des Berliner Rundfunks zum Deutschlandtreffen 1964 ins Leben gerufen…
Der Sender wurde zum Symbol für selbstbewusstes, aufmüpfiges und originelles Radio für junge Leute.
Trotz der „Komplett-Rasur“ durch den Medienbeauftragten des „Vereinigungskanzlers“ kurz nach der Wende war DT64 eine der DDR-Errungenschaften, die sich z.B. neben den Figuren des DDR-Kinderfernsehens einer ungeahnten Sympathiewelle ihrer zahlreichen Hörerschaft auch von Anhängern der alten Bundesländer erfreute. Eine der innovativen Leistungen des Senders war es, die aufkommenden Beat- und Rockbands zu produzieren und im Verbund mit dem DDR-Fernsehen und Amiga für entsprechende Popularisierung zu sorgen – in der Jugendsendung „Die Notenbank“, in den verschiedenen Formaten von DT64 und in der nun erstmals komplett vorliegenden DT64-Amiga-Single-Serie.
Hier werden die „Sturm- und Drang-Jahre“ wichtiger Bands der Rockszene DDR hörbar – angefangen von Renft, über electra, Uve Schikora, Modern Soul, Jürgen Kerth, Gruppe WIR, den Roten Gitarren, Reinhard Lakomy, Locomotiv GT u.a. bis zu den Puhdys. Neben den „verstreuten“ Veröffentlichungen auf diversen Band-Porträts liegt hier diese „Sammlung“ mit einer Anzahl bislang unveröffentlichter Titel erstmals komplett vor.
Aus dem Booklet:
DIE DT64 SINGLES
Vor mehr als 50 Jahren begann DT64 in Zusammenarbeit mit den zuständigen Redakteuren und Produzenten von Radio DDR und Stimme der DDR mit den überall im Land entstandenen neuen Beatgruppen Songs zu produzieren und diese zu senden. Auf Grund des großen Interesses der Hörer suchte man nach weiteren Verbreitungsmöglichkeiten. So entstand in Koop mit dem VEB Deutsche Schallplatten/AMIGA die Idee der DT64-Single-Reihe. In der Folgezeit wurden auf Basis kontinuierlicher Abstimmung zwischen dem Staatlichen Rundfunk-Komitee und AMIGA Vereinbarungen über Produktionsvorhaben, sowie die gegenseitige Nutzung und Verbreitung der Musikaufnahmen getroffen. Da das Entstehen eigener neuer Lieder, noch dazu mit Texten in deutscher Sprache, ein für die Bands zunächst ungewohnter und mitunter auch komplizierter Prozess war, lagen im Musikarchiv des Rundfunks Mitte der sechziger Jahre nur wenige Aufnahmen dieser Art vor.
Ein spürbarer Aufschwung begann 1969/1970, wo im Rundfunk ca. 173 Titel (bis Ende 1973 etwa 450 Lieder) u. a. mit den Alexanders (Vorläufer von Panta Rhei), dem Horst Krüger Sextett, dem Orchester Klaus Lenz, dem Günther Fischer Quintett, dem Dresden Sextett, der Uve Schikora Combo, der Electra-Combo, der Modern Soul Band, den Nautiks, dem Ekkehard-Sander-Sextett, dem Joco Dev Sextett in Berlin, Leipzig, Weimar aufgenommen wurden. In diesem Jahr wurde (mit höchster Genehmigung) eine Arbeitsgruppe »Rhythmus 71« gebildet, der Komponisten, Textautoren, Interpreten gemeinsam mit Musikredakteuren/-produzenten wie Luise Mirsch, Klaus Schneider, Manfred Gustavus, Walter Bartel, Claudia Ninnig angehörten.
Eine Auswahl der dabei entstandenen Lieder wurde ab 1971 gemeinsam von Rundfunk, AMIGA und dem Fernsehen in diversen Sendungen und einer repräsentativen Abschlussveranstaltung vorgestellt. Seitens des Rundfunks waren das insbesondere das DT 64-Musikstudio mit (seit 1971 »DT-Metronom«) sowie »Frank’s Beatkiste« (Stimme der DDR) und die »DDR-Tipparade« (Radio DDR). AMIGA hatte bereits in den sechziger Jahren mit eigenen Plattenproduktionen wie »Big Beat I / II«, Thomas-Natschinski-Gruppe »Die Straße«, Theo-Schumann-Combo »Für junge Leute«, »Klaus Lenz für Fenz« begehrte Angebote vorgelegt und veröffentlichte auf »Rhythmus 71« einen Teil der neu entstandenen Songs.
Das DDR-Fernsehen stellte ebenfalls ab 1969 (bis 1972) in der Sendung »Notenbank« (Bernd Maywald) die Bands mit ihren neuen Titeln vor.
Ich betone das alles so ausdrücklich, weil es entscheidend für die weitere Entwicklung einer zunehmend eigenständigen und vielfältigen Popmusik in der DDR wurde. Hätte es diesen Schulterschluss der Staatsmedien nicht gegeben, wäre die anfangs so argwöhnisch betrachtete und behinderte neue Musik niemals das geworden, was wir später mit einem gewissen Stolz als »DDR-Rock« bezeichnet haben.
Aus heutiger Sicht, wo es rückblickend (fast) nur noch um »Ostrock-Legenden« und »allerallerletzte Geschichten« von damals geht, ist gerade solch eine Dokumentation der »steinigen« Anfänge, wie sie hier mit den »DT64-Singles« vorliegt eine ideale Möglichkeit, sich einen realen Überblick über das Fundament zu verschaffen, aus dem die großen Erfolge der siebziger und achtziger Jahre entstanden sind. Und um den Zusammenhang mit dem realen „Osten“ zu erkennen:
Das Zusammentreffen mit den Bands aus den »sozialistischen Bruderländern« – aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn, die unseren Gruppen damals eine Nasenlänge voraus waren – war in dieser Phase des Suchens nach eigenem Potential ein ganz entscheidender Faktor. Schließlich sei noch aus der Sicht des (ehemaligen) Musikproduzenten angemerkt, dass die Begegnung zwischen den jungen, kreativen aber im Studio unerfahrenen Musikern mit den Produzententeams zu einer zumeist spannenden und intensiven Zeit des Ausprobierens und gegenseitigen Respekts führte. Trotz des relativen Zeitdrucks sind da aus Musik und Text oftmals kleine Kunstwerke entstanden. Und ganz zweifellos hat sich das spätere, erfolgreiche Profil einer Band auch zu einem guten Teil aus eben diesen Erfahrungen genährt. Für die neuen Bands brachte die konzertierte Unterstützung durch die Medien Rundfunk, Schallplatte, Fernsehen nicht nur Popularitätsgewinn sondern auch Rückhalt gegen die Willkür lokaler Kulturbehörden. Wer »da oben in Berlin« gesendet wurde und auf Tonträgern im Handel erhältlich war, der konnte nicht so einfach reglementiert oder gar abserviert werden. Und in diesem Zusammenhang war auch die »kleine DT64-Single« schon ein Erfolg auf dem steinigen Weg zur ersten eigenen Langspielplatte. AMIGA begann nach diesen erfolgreichen Erfahrungen ab 1972 mit großem Aufwand und den bereitzustellenden Kapazitäten für eigene LPs, DDR-Beat- und Rockmusik mit Renft, Puhdys, Panta Rhei, electra, Uve Schikora, Horst Krüger, der Gruppe Wir u. a. zu produzieren. Mit »hallo 1 – 16« (1972 bis 1976) ist das aus meiner Sicht beste Kompendium dieser frühen Jahre gelungen – zudem in attraktiver Gestaltung und mit erfolgreichen Absatzzahlen.
Diese gemeinsamen Bestrebungen der Massenmedien sollten als »übergeordnete Zielstellung« ein erfolgreiches Bild für die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin (1973) aufbauen. Insofern ist als weitere Institution auch der FDJ-Zentralrat zu nennen, der in Vorbereitung der Weltfestspiele, die Bands im Land vor Ort aufsuchte und auswählte. Zu diesen »Begutachtern« gehörte auch der angehende Musikwissenschaftler und spätere erste DDR-Rock-Professor Peter Wicke. Bis zu diesem Jahr 1973 wurden auch die von Rundfunk und Fernsehen organisierten »Rhythmus«-Konzerte weitergeführt und auf AMIGA-LP veröffentlicht. Unsere Kompilation stellt alle 23 DT 64 Singles von 1971 bis 1973 vor.
Da gibt es so viel verschiedenes zu hören bzw. wieder zu entdecken und dabei in Erinnerungen zu schwelgen. Erinnerungen an eine vergangene sehr kreative Zeit. Es beginnt schon beim »Einstieg« mit der Electra-Combo und dem Dresden-Sextett »rollt aus den Teppich« wie es später so schönin dem Karat/Demmler-Song »König der Welt« heißen wird. Alle Dresdner Bands waren musikalische Profis. Gut ausgebildet und kenntnisreich in der Lage, das Neue mit unseren Musiktraditionen zu verbinden. Und das musikalische Thüringen wird in den folgenden Jahrzehnten mit Blues von Jürgen Kerth und Rock und Pop von den Nautiks mit Heinz-Jürgen Gottschalk und Weltmusik à la Bayon mitmischen, auch wenn so mancher Künstler letztlich in Berlin landen wird, weil dort die Wege zu allen Instanzen kurz waren. Aber auch andere Bezirke wie Magdeburg oder Rostock sind auf dieser Compilation vertreten. Und ganz besonders natürlich Leipzig. Die Stadt, die schon 1965 renitente Jugendliche zu disziplinieren versuchte (lange Haare ab und in die Braunkohle) und mit den Butlers, Renft, Karussell und vielen anderen mehr einen ganz wesentlichen Beitrag zu einer eigenständigen und originellen Rockmusik im Osten Deutschlands geleistet hat.
Die Klaus Renft Combo ist für mich bis heute die wichtigste deutschsprachige Band, die es verstand die »Urgewalt« der Rockmusik mit aussagekräftigen Texten von Gerulf Pannach und Kurt Demmler zu verbinden. Sie sind nicht nur in der DDR verboten, sondern auch in West-Berlin nicht gebührend beachtet worden! Immerhin hält Thomas »Monster« Schoppe bis heute die Fahne hoch, weil mittlerweile drei Mitglieder der Originalband gestorben sind. Damit ist auch nach über 55 Jahren der Name RENFT noch präsent! Mit »Es war doch nicht das erste Mal« – komponiert und gesungen von Reinhard Lakomy – beginnt auch der gelungene Einstiegin die Fusion von Schlager und Beatmusik, also das, was wir bis heute unter Pop verstehen. Das konnten, trotz der langen Haare, auch Ältere akzeptieren und gut finden.
Panta Rhei war eine, wie wir heute sagen würden, »Supergroup«, die in höchster Perfektion den damals international angesagten Jazz-Rock à la Blood, Sweat & Tears und Chicago spielen konnte und auch hörenswerte eigene Lieder im Verbund mit dem großartigen Lyriker Jens Gerlach zustande brachte. Und: zwei der wichtigsten deutschen Stimmen, nämlich Veronika Fischer und Herbert Dreilich in ihren Reihen hatte. Das war zu der Zeit noch keine Selbstverständlichkeit. Auch die Puhdys »bedienten« sich anfangs der Unterstützung von Gastautoren für die deutschen Texte: Wolfgang Tilgner und Burkhard Lasch. Und wurden zum Hitproduzenten Nr. 1. Die Bands und Interpreten aus den »Bruderländern« sind auf den Singles mit einer repräsentativen Auswahl vertreten. Da lohnt es sich immer wieder im eigenen Archiv zu stöbern und jedes Mal auf’s Neue zu entdecken, wie hoch das Niveau damals war! Wer sich für Original-Informationen aus dieser Zeit interessiert, dem seien »BEAT Rock Rhythm & Blues« von H.P. Hofmann (VEB Lied der Zeit 1973 und 1975) sowie die damaligen Jahrgänge von »Melodie & Rhythmus« empfohlen. Das ist aus meiner Sicht allemal näher dran als die heutige Deutungshoheit darüber, was damals gewesen sein soll… Speziell zu DT64 empfehle ich das überwiegend von eigenen Mitarbeitern geschriebene »Buch zum Jugendradio 1964 – 1993«, Hrsg: Andreas Ulrich & Jörg Wagner (Thom Verlag Leipzig 1993).
- 1.
Die DT64 Singles – CD 1
1. Der neue Tag – Electra-Combo 3:40
2. Vo Thi Lin – Dresden-Sextett 6:30
3. Eine Strähne deines Haares – Electra-Combo 4:20
4. Auf dem Abstellgleis – Die Nautiks 4:00
5. Stapellauf – Joco-Dev-Sextett 4:20
6. Wenn die Schwalben wiederkehren – Joco-Dev-Sextett 3:02
7. So muss es sein – Modern-Soul-Septett 5:05
8. Wir gehen am Meer – Die Nautiks 3:20
9. Das alte Lied – Uve Schikora-Combo 4:00
10. Wir lagen im Grase – Joco-Dev-Sextett 4:35
11. Unsere Sommerliebe – Electra-Combo 2:30
12. Die Briefwaage – Electra Combo 5:05
13. Weit und fern – Rote Gitarren 3:30
14. Leben mit mir – Rote Gitarren 4:55
15. Es war doch nicht das erste Mal – Reinhard Lakomy & Gruppe 4:35
16. Mädchen, mir kommt's verdächtig vor (Verlorene Liebesmüh') – Jürgen-Kerth-Quintett 4:00 - 2.
Die DT64 Singles – CD 2
1. Alle Wege… - Ekkehard Sander-Septett 2:50
2. Erzähl mir von dir – Ekkehard Sander-Septett 3:20
3. Cäsars Blues – Klaus Renft Combo 3:45
4. Zwischen Liebe und Zorn – Klaus Renft Combo 4:50
5. Hier wie nebenan – Panta Rhei 4:50
6. Nachts – Panta Rhei 5:05
7. Schluss mit den Märchen – Prudy 3:49
8. Alles vermag die Liebe – Prudy 3:50
9. Flüsse und Tränen – Klaus Renft Combo 3:40
10. Wandersmann – Klaus Renft Combo 3:35
11. Soll das alles sein – Wolfgang Ziegler & Gruppe WIR 5:04
12. Segelflug – Wolfgang Ziegler & Gruppe WIR 5:20
13. Ketten werden knapper – Klaus Renft Combo 2:55
14. Lied auf den Weg – Klaus Renft Combo 4:08
- 3.
Die DT64 Singles – CD 3
1. Vorn ist das Licht – Puhdys 3:25
2. Das kommt, weil deine Seele brennt – Electra-Combo 2:15
3. Der Musikant – Stephan Trepte & Electra-Combo 4:05
4. Lichter in deinen Augen – Die Nautiks 2:45
5. Wenn – Lift 3:15
6. Gedanken an C – Volkmar Ryssel & das Ekkehardt-Sander-Septett 3:00
7. Geben (Naruc Kras) – Vaclav Neckar & Die Bazillen 5:50
8. Liebeslied – Klaus Renft Combo 3:02
9. Geh mit mir – Wolfgang Ziegler & Gruppe WIR 5:21
10. Wir sind die Welt – Wolfgang Ziegler & Gruppe WIR 4:40
11. Eine Kuckucksarmbanduhr – Locomotiv GT 2:00
12. Mondschein im Haar – Die Skalden 4:20
13. Hej, Träume (Jaworowy, mast) – Maryla Rodowicz & Gruppe 3:05
14. Heimlichkeit – WIR 4:50
15. Geh zu ihr – Puhdys 2:45
16. Zeiten und Weiten – Puhdys 3:58